Anlagenbauer, Projektentwickler, Forscher und CEO’s aus Österreich, Europa und dem arabischen Raum. Sie alle trafen sich Ende November in Brüssel, um einen Blick auf die Highlights der European Hydrogen Week zu werfen. Auch die Energie Steiermark war vertreten. Ein Bericht über Technologieneuheiten, Dimensionierungsfragen und Pull-Faktoren bei der Entwicklung von Wasserstoff-Projekten.
Die European Hydrogen Week - eine Zusammenarbeit zwischen Hydrogen Europe, Hydrogen Europe Research, der Europäischen Kommission und der Clean Hydrogen Partnership - ging zwischen 18. und 22. November 2024 in Brüssel über die Bühne und hat sich als bedeutende Plattform für den Austausch über die Zukunft der Wasserstofftechnologie erwiesen. Vertreter:innen aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft diskutierten über Fortschritte, Herausforderungen und Perspektiven. Dabei drehten sich die mitunter politischen Diskussionen insbesondere darum, wie sich die Rahmenbedingungen für den Hochlauf der grünen Wasserstoffwirtschaft entwickeln müssen, um nicht überbordend zu sein, aber dennoch klare Leitplanken und Planbarkeit in der Projektentwicklung zu bieten. Das H2-Event bot neben vielen Ausstellern auch tiefe Einblicke in aktuelle Entwicklungen und Strategien rund um die Wasserstoffwirtschaft in Europa. Philipp Wünscher, zentraler Koordinator für grünen Wasserstoff der Energie Steiermark, war mehrere Tage vor Ort und gibt im folgenden Bericht seine persönlichen Highlights und Learnings für die Wasserstoffwirtschaft in der Steiermark wider.
Die präsentierten Technologien zur Erzeugung von Wasserstoff wie beispielsweise die PEM-Elektrolyse und die alkalische Elektrolyse zeichnen sich durch einen bereits hohen Technologiereifegrad (TRL) aus und sind in der Praxis schon erprobt. Große Überraschungen im Technologiebereich blieben demnach im Jahr 2024 aus. Dennoch wurden Optimierungen unter anderem in den Bereichen Erzeugung, Speicherung, Transport und Nutzung vorgestellt.
Relevant sind die Entwicklungen hin zu effizienteren und kostengünstigeren Metallhydridspeichern, das Hydrogen Retrofitting von Diesellokomotiven oder die ressourcenschonenderen Wasserzirkulationssysteme im Elektrolyseprozess. Diese auf der Hydrogen Week vorgestellten Anpassungen sind zwar keine Meilensteine, für die Zukunft der Wasserstofftechnologie dennoch von großer Bedeutung. Wichtig zu wissen ist, dass sich genannte Innovationen meist noch in einem niedrigen TRL-Bereich befinden und weitere Entwicklung und Erprobung notwendig ist, um ihre Marktreife zu erlangen.
Ist größer immer besser? Oder sind doch die kleineren Anlagen für den eigenen Standort besser geeignet? Um eine Fragestellung - die Dimensionierung von Wasserstoffanlagen – kamen Besucher:innen der Hydrogen Week in Brüssel nicht herum: Die Frage nach der Dimensionierung neuer H2-Anlagen.
Aus diversen Panel-Dikussionen während des Events konnte abgeleitet werden, dass der Standort der Anlage einen erheblichen Einfluss auf ihre Größe und Effizienz hat. Darüber hinaus erfordern geographische wie wirtschaftliche Bedingungen ganz individuelle Lösungen, um die optimale Performance der Anlage erreichen zu können. Es gibt demnach keine pauschale Antwort auf die Frage der Dimensionierung. Vielmehr ist bei der Planung und Umsetzung von Wasserstoffprojekten ein standortspezifischer Ansatz gefragt.
Zwei Ansätze bei der Dimensionierung
Systemintegratoren drängen tendenziell in Großanlagen über 100 MW, da sich bei Großanlagen die Projektwirtschaftlichkeit besser darstellen lässt. Diese großen Anlagen bieten Skaleneffekte und machen Investitionen attraktiver.
Stackentwickler und -hersteller konzentrieren sich hingegen eher auf kleinere Anlagen mit einer Leistung von 1-20 MW. Diese Größenordnung ermöglicht es ihnen, wertvolle Erfahrungen im Realbetrieb zu sammeln und dabei „gesund" zu wachsen, ohne die Risiken großer Investitionen eingehen zu müssen.
Offensichtlich als „hemmend bei Investitionsentscheidungen“ empfunden wird der offene Rechtsrahmen in vielen EU-Mitgliedsstaaten. Die ersten Schritte zur Schaffung eines Rechtsrahmens waren zwar richtig und wichtig, dennoch mangelt es an Langfristigkeit und Stabilität, was Unsicherheiten in der Branche schafft. Projektentwickler wünschen sich daher einen klaren Rechtsrahmen für Investitionsentscheidungen. Parallel dazu gelte es aber genauso, eine Überregulierung zu vermeiden.
Ein Beispiel Das Zusätzlichkeitskriterium aus der RED-II (Erneuerbare-Energien-Richtlinie der EU) verlangt ab dem 1.1.2028, dass Wasserstoff, der als erneuerbar gelten soll, aus zusätzlichen erneuerbaren Energiequellen produziert wird. Das bedeutet, dass die Elektrolyseure zur Wasserstoffproduktion nicht auf bereits bestehende erneuerbare Kapazitäten zurückgreifen dürfen, sondern neue Anlagen zur Erzeugung erneuerbarer Energie erforderlich sind. Dadurch steigt einerseits die Komplexität des Gesamtprojekts, andererseits auch die Dauer der Planungs- und Genehmigungsverfahren. Bis zum 31.12.2027 gilt noch eine Übergangsfrist, in der die Kriterien nicht einzuhalten sind. Allerdings stellt eine Projektabwicklung eines Neuprojektes einschließlich Inbetriebnahme bis zu diesem Datum eine erhebliche Herausforderung dar. Das Zusätzlichkeitskriterium aus der RED-II erhöht das Risiko für Investitionsentscheidung demnach deutlich und erschwert diese massiv.
Förderprogramme und Ausschreibungen beschleunigen die Entwicklung der Wasserstoffwirtschaft in hohem Maße. Auch hier waren die ersten Schritte die richtigen. Jedoch wird der Wunsch nach einem ganzheitlichen Förderumfeld, das eine einfachere Projektumsetzung ermöglicht, von vielen Seiten geäußert. Eine solches Umfeld sollte etwa den Zugang zu Fördermitteln erleichtern, bürokratische Hürden abbauen und die Integration von Projekten in bestehende Strukturen unterstützen. Der Fokus soll auf nachhaltigen und wirtschaftlich tragfähigen Lösungen liegen, die langfristig zur Reduktion von Treibhausgasemissionen beitragen können.
Für den Standort Steiermark und die Projektentwicklung vor Ort ergaben sich aus den Gesprächen und den Eindrücken im Rahmen der European Hydrogen Week mehrere wertvolle Erkenntnisse: Etwa die Bedeutung maßgeschneiderter Lösungen, welche die lokalen Gegebenheiten und Ressourcen berücksichtigen, wurde ersichlich. Zudem ergeben sich ob des offenen Rechtsrahmens einige Hürden, welche aber durch gezielte Förderungen und eine stärkere Vernetzung mit anderen europäischen Akteuren mittelfristig überwunden werden können. Deutlich wurde auch, dass gerade die Steiermark von den Entwicklungen im Bereich der Wasserstoff-Technologie profitieren kann, indem sie sich auf ihre Stärken wie die ganzheitliche Projektentwicklung, Prozessoptimierung, Innovationsfreude und den Dekarbonisierungswillen konzentriert und eine aktive Rolle in der europäischen Wasserstoffstrategie einnimmt.
Europas Wasserstoffwirtschaft steht auf einem soliden Fundament, jedoch sind noch einige Herausforderungen zu bewältigen. Der Austausch und die Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedsstaaten sind entscheidend, um die Potentiale dieser Technologie voll auszuschöpfen. Ergänzend dazu ist die Schaffung eines stabilen Rechtsrahmens und eines ganzheitlichen Förderumfelds ebenso wichtig wie die Förderung von Innovationen und Investitionen. Die Steiermark ist gut positioniert, um von diesen Entwicklungen zu profitieren und einen Beitrag zur europäischen Wasserstoffstrategie zu leisten.
Mehr als 220 Aussteller, darunter Vertreter:innen des internationalen Partners Indien, präsentierten den mehr als 9.000 Besucher:innen ihre Technologien, nationale und regionale Ambitionen und marktreife Produkte. Mehr als 200 Redner:innen diskutierten, debattierten und entwickelten Lösungen für die größten Herausforderungen des Sektors in 25 Podiumsdiskussionen auf der High-Level Policy Conference, dem B2B-Forum und dem Innovationsforum an den vier Tagen.