Was halten Sie von einer leistungsbezogenen Abgeltung im Bereich Photovoltaik?
Wo wir als Regulator leistungsbezogen gut finden, ist beim Netz und den Netzentgelten. Hier sagen wir seit vielen Jahren, dass man den Leistungsaspekt beachten muss, wenn man von Verursachungsgerechtigkeit spricht. Es ist eben für den Netzanschluss oder den Netzausbau nicht so relevant, ob man in 10 Stunden oder in 8.000 Stunden im Jahr Strom bezieht. Die Anschlussleistung ist aber tatsächlich der Kostentreiber. Unser Papier Tarife 2.1 ist hier zu erwähnen.
Durch die vielen neuen Einspeiser kommt es punktuell und gerade in den Mittagsstunden zur Überlastung der Netze. Welche Optionen sehen Sie, dies zu lösen?
Grundsätzlich gehen wir davon aus, dass sich die Einspeiser an vereinbarte Regeln halten. Das Konzept der netzwirksamen Leistung kommt hier zu tragen. Solange der Einspeiser sicherstellen kann, dass nur ein gewisses Ausmaß an Strom ins Netz kommt, kann man mit dieser netzwirksamen Leistung rechnen und planen. Zuerst sollte ja der Eigenbedarf gedeckt werden. Zudem gibt es technisch gute Lösungen, die man vertraglich abbilden muss. Beispielsweise ein rascher Anschluss, bevor das Netz in der Region ausgebaut wird. Das kann vorerst mit Einschränkungen verbunden sein und sollte fallbezogen geklärt werden. Wichtig ist uns, dass diskriminierungsfrei und transparent kommuniziert wird, warum es an manchen Stellen im Netz geht und an anderen nicht.
In unserer Streitschlichtung nehmen wir wahr, dass seitens der Netzbetreiber oft pauschal argumentiert wird. Damit tun wir uns schwer. Wiewohl uns bewusst ist, dass Verteilernetzbetreiber mit Anfragen überhäuft werden.
Spitzenkappung macht hier auch Sinn. Photovoltaikanlagen auf die letztmögliche Leistung auszulegen ist bei ohnehin knappen Netzkapazitäten wahrscheinlich keine so gute Idee. Besser wäre, bei etwa 70% der Leistung zu kappen, um dann nur etwa 3% der Energie zu verlieren.
In Deutschland und anderen EU-Ländern wird das schon gemacht.
Ja, in einigen europäischen Ländern gibt es die Spitzenkappung schon. Technisch ist die Kappung unbestritten, aber die Frage ist, wieviel Prozent der Energie es dann wirklich sind. Dazu gibt es ausreichend Studien, auch aus anderen europäischen Ländern. Um die 3% sollten verkraftbar sein.
Es geht auch um die Erwartungshaltung, die Einspeiser haben. Sie möchten Strom einspeisen und werden dann „plötzlich“ gedrosselt.
Ja natürlich, diese Herausforderung nehmen wir auf allen Ebenen wahr. Genau deshalb sollten wir Flexibilitäten adressieren. Die E-Control hat dazu einen Netzanschluss-Aktionsplan veröffentlicht. Und auch die Netzbetreiber sind hier gefordert, offen und klar zu kommunizieren.
Was könnte die Politik verbessern?
Einiges liegt jetzt schon vor. Wichtig ist, transparent zu veröffentlichen, an welchen Netzknoten beispielsweise noch mehr Leistung möglich ist. Und natürlich das Elektrizitätswirtschaftsgesetz, das eine Reihe an Vorgaben rund um den Themenbereich Flexibilität beinhaltet. Wir hoffen, dass sich damit einiges bewegt und dass das Gesetz, auf das wirklich alle Beteiligten dringend warten, zeitnah beschlossen wird.
Was muss aus Sicht der E-Control im neuen ElWG stehen?
Wesentlich sind Daten, Smart Meter-Daten in einer Viertelstunden-Auflösung. Das wäre die Basis, um das Gesamtsystem weiter zu digitalisieren und vor allem Flexibilitäten zu nutzen. Zweitens brauchen wir unbedingt einen Szenariorahmen. Es wäre gut sich drauf zu verständigen, wie die Zukunft im Energiebereich aussehen könnte. Es braucht gemeinsame Annahmen über Szenarien beispielsweise für die Netzentwicklungsplanung. Es geht um ein gemeinsames Verständnis, einen Zeithorizont und um die Frage, was Maßnahmen kosten und wie diese Kosten verursachungsgerecht zuzuteilen sind. Das sollte in einem transparenten Prozess besprochen und festgelegt werden.
Speicher sind theoretisch Verbraucher und Einspeiser gleichzeitig, müssen demnach doppelt zahlen. Gibt es hier Verbesserungspotenzial?
Rein technisch gesehen ist ein Speicher tatsächlich beides. Beim Netzanschluss beispielsweise muss ein Speicher den Anforderungen beider Kategorien entsprechen. Aus Gründen der elektrotechnischen Sicherheit muss er die Verbraucher- und die Einspeiserrolle erfüllen können, ohne dass es zu Problemen führt.
Die Netz- und Systemdienlichkeit ist künftig wesentlich. Wir müssen klären, wie man das netzdienliche Verhalten von Speichern konkret festmachen kann. Oder etwa, wie man die Flexibilität von Speichern bei Tarifen oder Flexibilitätsmärkten, die sich entwickeln werden, nutzen kann. Änderungen im Netzanschluss können bilateral oder in den Marktregeln festgeschrieben werden. Zudem kann man auf dem Markt was tun, beispielsweise bei der Regelreserve oder der Bereitstellung von Flexibilität.
Wie gehen andere Länder beim Thema Speicher und Flexibilitäten vor?
Auf europäischer Ebene nehme ich wahr, dass man teilweise noch abwartet, was sich auch auf der technischen Seite tut. Auf Basis des 3. EU-Strommarktliberalisierungspakets 2010 wurden Netzwerkkodizes und Giudelines erlassen, die unterschiedliche Bereiche des europäischen Stromsystems regeln. In einem neuen Netzwerkkodex soll die Teilnahme von Demand-Response, also Flexibilität auf der Verbraucherseite, geregelt werden. Dieser wurde kürzlich von ACER an die EU-Kommission empfohlen und wird dann in eine europäische Verordnung gegossen werden. Einige Länder warten mit nationalen Regeln für Flexibilität darauf.
Ist Österreichs Energiebranche auch in dieser Warteposition?
Ja, zum Teil, weil einiges zu Flexibilität mit dem ElWG kommen soll. Wir als E-Control schreiben gerade an einem Speicher-Diskussionspapier. Da geht es um Betriebs- und Anschlussmöglichkeiten oder etwa Herkunftsnachweise für Speicher. Das Papier wird derzeit konsultiert.
Das Arbeitsprogramm der EU-Kommission: Was kommt mit diesem auf EVU‘s zu?
Neben den schon bekannten Initiativen im Rahmen des Clean Industrial Deal sind der Netzausbau und die Beschleunigung von Genehmigungsverfahren relevant. Als dritten großen Punkt würde ich die Anpassung der Netzwerkkodizes und Guidelines im Bereich Netzanschluss und Strommärkte sehen. Für Österreich auch relevant ist das Thema Cost Sharing, weil wir als Land mitten im europäischen Stromhandel und -system hängen. Österreich hatte in der Vergangenheit bekanntlich große Aufwendungen, um starke grenzüberschreitende Leitungen und auch Speicherkraftwerke zu bauen. In der Nordsee wiederum sind Offshore Windanlagen, deren Integration in das Netz und die damit verbundenen Kosten ein Thema. Denn den Nutzen dieser Anlagen hat ja ganz Europa.
Tendieren die EU-Mitgliedstaaten aktuell in Richtung Integration oder eher in Richtung einzelstaatlicher Initiativen?
Aufgrund der Charakteristik des Stromsystems – ein Synchronbereich von der dänischen Halbinsel bis Italien und von der Ukraine über das Baltikum bis nach Portugal – ist man quasi gezwungen, sich abzustimmen und gemeinsam zu planen.
Je geringer die Reserven im System, desto besser muss man sich abstimmen. Das ist die Basis, die uns im Strombereich hilft, verstärkt europäisch zu handeln. Zudem ist Zusammenarbeit günstiger und sicherer. Aus manchen Mitgliedstaaten kommt immer wieder die Botschaft, für den Ernstfall alles im eigenen Land haben zu wollen. Gleichzeitig den integrierten europäischen Strommarkt und das Stromsystem national herzustellen, führt aber unweigerlich zum Stichwort Kosten. Und da haben wir auch ohne diese Doppelgleisigkeit schon ein Riesenthema.
Wo geht die Reise langfristig hin?
Die Energiebranche muss sich bemühen, die Zahlen, Daten und Fakten zu liefern. Von Problemstellungen über Lösungsoptionen bis hin zum Umgang mit den Endkund:innen. Wir müssen die Komplexität, die es gibt, so gut wie möglich erklären, sodass auch politisch die richtigen Entscheidungen zu richtigen Zeit getroffen werden.