Doppelte Wesentlichkeit: Erfahrungen und Erkenntnisse

Expertenartikel

Doppelte Wesentlichkeit: Erfahrungen und Erkenntnisse

Welche Auswirkungen die Geschäftstätigkeiten der Energie Steiermark auf Mensch und Umwelt haben, wird mittels Analyse der doppelten Wesentlichkeit erfasst und in der Nachhaltigkeitsberichterstattung transparent offengelegt. Warum das Identifizieren und Erfassen relevanter Nachhaltigkeitsthemen gerade am Beginn aufwendig ist und ausnahmslos alle Bereiche des Unternehmens eingebunden werden, erfahren Sie in diesem Artikel.

Der Begriff der doppelten Wesentlichkeit leitet sich aus der EU-Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung, der Corporate Sustainability Reporting Directive  (CSRD),  ab. Das Konzept wird in den European Sustainability Reporting Standards (ESRS) beschrieben. Darin werden Unternehmen seit 2023 dazu aufgefordert, ESG-Themen aus zweierlei Perspektiven zu bewerten: erstens, wie sich die Geschäftstätigkeiten auf Mensch und Umwelt auswirken und zweitens, welche finanziellen Risiken und Chancen daraus für das Unternehmen entstehen.

Der Weg von der Identifiaktion der wesentlichen Auswirkungen, Risiken und Chancen bis zu den konkreten Pflichten für die Nachhaltigkeitsberichterstattung wird bei der Energie Steiermark in fünf Schritten abgehandelt. Ein Prozess, der für das Unternehmen und die Nachhaltigkeitsmanager:innen mitunter intensiv ist. Das Positive daran: Schon während des gemeinsamen Prozesses eröffnen sich neue Sichtweisen auf die Unternehmenstätigkeiten. Ebenso werden die identifizierten Nachhaltigkeitsthemen, welche aus Sicht des Unternehmens und seiner Stakeholder wesentlich sind, miteinander verknüpft. Damit bekommen Entscheidungsträger:innen erstmals einen umfassenden Blick auf die Zusammenhänge zwischen Geschäftstätigkeit und Nachhaltigkeit. Darauf aufbauend hat die Energie Steiermark Nachhaltigkeitsprioritäten gesetzt und Maßnahmen abgeleitet, um sich bei Nachhaltigkeitsthemen künftig weiter zu verbessern. 

Identifikation

Welche „Impacts, Risks und Opportunities", kurz IRO's, betreffen das Unternehmen?

Stakeholder-Feedback

Wie bewerten Stakeholder die IRO's?

Ergebnisse

Welche Themen sind für das Unternehmen wesentlich?

Berichtspflichten

Worüber muss das Unternehmen berichten?

Aktualisierung

Ändern sich wesentliche Themen?

Fünf Schritte zur ESRS-Berichterstattung

1 Identifikation

Basierend auf dem Berichterstattungsumfang wird in einem ersten Schritt ein Grundverständnis für die Zusammenhänge der Geschäftsaktivitäten mit Auswirkungen, Risiken und Chancen geschaffen. Die Voranalysen umfassten in der Energie Steiermark die bisherige Wesentlichkeitsanalyse (2021, nach GRI-Standard), die Geschäftsfelder des Konzerns, die ESRS-Themenliste, die Wertschöpfungskette, die Stakeholdergruppen, die regulatorischen Rahmenbedingungen, die aktuellen SWOT-Analysen aus dem Konzernstrategieprozess, eine Peer-Group Review und eine Analyse der (ESG-)Risiken aus dem etablierten Enterprise Risk Management. Bei der initialen Erhebung und Erstbewertung von Auswirkungen, Risiken und Chancen wurden sachverständige Energie Steiermark Kolleg:innen bei- und wissenschaftliche Studien herangezogen.

Die identifizierten Auswirkungen wurden in kurz-, mittel- und langfristigen Zeithorizonten nach Ausmaß, Umfang, Eintrittswahrscheinlichkeit und Unabänderlichkeit quantitativ bewertet. Auch die vor- und nachgelagerte Wertschöpfungskette wurde mitaufgenommen. Zur finanziellen Bewertung der Unternehmensrisiken im Zusammenhang mit den ESRS-Themen wurde das Bewertungssystem aus dem Enterprise Risk Managementsystem übernommen. Die Energie Steiermark hat aus der umfangreichen ESG-Themenliste 24 Themen als wesentlich für das Unternehmen bewertet.

Ein Nachhaltigkeitsaspekt ist unter finanziellen Gesichtspunkten wesentlich, wenn sich daraus finanzielle Auswirkungen wie z.B.: Cashflow, Zugang zu Finanzmittel oder Kapitalkosten auf das Unternehmen ergeben und somit für Stakeholdergruppen (z.B.: Banken), die Ressourcen an das Unternehmen zur Verfügung stellen, wesentliche Informationen ableiten lassen. 

2 Stakeholder-Feedback

Um bei den Themenfeldern Ökologie, Soziales und Governance auch den Blick von außen auf die eigenen Unternehmenstätigkeiten zu schärfen, wurden in einem zweiten Schritt Stakeholder mittels Interviews und Fragebögen in den Analyseprozess der doppelten Wesentlichkeit einbezogen.

Stakeholdereinbindung: Stakeholder sind Personen oder Gruppen, die das Unternehmen beeinflussen oder von diesem beeinflusst werden können. Bei der Auswahl wurde zwischen betroffenen und interessierten Stakeholdergruppen unterschieden. Wobei betroffene Stakeholder Einzelpersonen oder Gruppen sind, die direkt oder indirekt von den Geschäftstätigkeiten des Unternehmens betroffen sind oder betroffen sein könnten. Dazu zählen etwa der Aufsichtsrat, Kund:innen, Lieferant:innen, Wirtschaftsprüfer:innen oder Investor:innen. Interessierte Stakeholder hingegen sind Nutzer:innen der Nachhaltigkeitsberichterstattung, wie beispielsweise Banken, NGOs oder Medien.

 

3 Ergebnisse

Basierend auf den Ergebnissen des Feedbackprozesses wurden in einer Überarbeitungsschleife die identifizierten Auswirkungen, Risiken und Chancen angepasst. In Abstimmung mit den obersten Leitungs- und Führungorganen des Unternehmens wurden die Ergebnisse anschließend beschlossen.

 

4 Berichtspflichten

Im vorletzten Schritt wurden die quantitativen und qualitativen Berichtspflichten basierend auf den wesentlichen Themen abgeleitet und damit die ESRS-Angabepflichten definiert. Nach Erarbeitung der wesentlichen Themen und der Ableitung der Berichtspflichten beginnt nun die Erfüllung der entsprechende Berichtspflichten.  

 

5 Aktualisierung

Eine Aktualisierung der doppelten Wesentlichkeit wird jährlich in einem wiederkehrenden Prozess stattfinden.Sie basiert auf substanziellen Änderungen beispielsweise in den Geschäftsaktivitäten, in der Wertschöpfungskette, in den Märkten, in der Organisationsstruktur oder durch M&A-Transaktionen.

Unser Nachhaltigkeitsbericht 2023

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Wesentliche Themen auf einen Blick

In Zusammenarbeit mit Stakeholdern haben wir für die Energie Steiermark wesentliche ESG-Themen identifiziert. Dazu zählen etwa Klimaschutz, Biodiversität, Ressourcennutzung und Kreislaufwirtschaft (Ökologie), die eigenen Mitarbeiter:innen, Kund:innen, von den Unternehmenstätigkeiten betroffene Gemeinschaften (Soziales) sowie Unternehmenskultur, der Schutz von Hinweisgebern oder etwa das Management der Beziehungen zu Lieferant:innen einschließlich der Zahlungspraktiken (Governance). Damit liegen die Ergebnisse der Wesentlichkeitsanalyse auf dem Tisch und die wichtigsten Anhaltspunkte und Daten für den weiteren Prozess sind vorhanden. In einem nächsten Schritt sollen die Berichtspflichten adäquat umgesetzt werden. Denn diesen gilt es, quantitativ wie qualitativ gerecht zu werden. Mit Sicherheit ist die erste Erhebung der wesentlichen Nachhaltigkeitsthemen für Unternehmen aufwendig und bindet Ressourcen. Jedoch können sehr konkrete Handlungsempfehlungen abgeleitet werden und für Entscheidungsträger:innen eröffnet sich damit ein neues, künftig unverzichtbares Gesamtbild im Zusammenhang mit der Nachhaltigkeitsleistung eines Unternehmens.

Martina Schöneich
Nachhaltigkeit
Strategie und Business Development

publicaffairs(at)e-steiermark.com

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